Hallo zusammen, und erstmal ein gesundes 2016!
ich nutze Contao/TypoLight seit ca. 2009 (ca. 2-4 Seiten im Jahr) und empfand es damals als das beste System was Ausstattung und Möglichkeiten betrifft.
Mit der Zeit habe ich Contao immer weiter selbst für meine Bedürfnisse angepasst, bin aber auch immer wieder auf die gleichen Probleme gestoßen. Inzwischen macht sich bei mir immer mehr Frust breit, habe mir deshalb schon viele andere Systeme angeschaut und ausprobiert, z.B. ProcessWire, Drupal, OctoberCMS, WordPress mit Plugins, Craft, Concrete5, darunter auch "FlatFile-System" wie Grav, Cockpit, SiteCake, Herby, etc.
Contao bietet viele tolle Ideen und ist mir ans Herz gewachsen, deswegen will ich auch nicht einfach wechseln, aber ich möchte euch einfach von meinen Gedanken berichten und fragen, wie ihr das empfindet.
1.) Recht starre Standard-Datenstruktur mit wenig Erweiterungsmöglichkeit bei wenigen PHP-Kenntnissen
Z.B. keine Erweiterung des Systems (für Nicht-Programmierer) für weitere Felder oder ganze Datenstrukturen, noch nicht einmal Taxonomie wie z.B. in WordPress oder Drupal selbstverständlich. Taxonomie bietet doch so tolle Möglichkeiten bei der Filterung einer Ausgabe.
Einfach mal den Teaser um die Möglichkeit eines Vorschaubildes erweitern? Leider nicht ohne tiefere Kenntnisse möglich. Nutze doch ein Plugin, heißt es dann.
Habe ich gemacht, lief nur nicht mehr in der neuesten Contao-Version. Dann halt einen Entwickler engagieren!
In Concrete5 beispielsweise kann man einfach beliebige Felder zur Datenhaltung hinzufügen, z.B. wenn man auf jeder Seite ein Teaserbild ausgeben will, ohne jedes Mal ein separates Bild-Element hinzuzufügen, und es mit einer Klasse zu definieren, einfach als Basis für eine Seite festlegen.
Wäre es nicht toll, dem User das Anlegen von beliebigen Datenstrukturen zu erlauben? In ProcessWire wird dieser Gedanke in Extremform betrieben. Alles ist eine Seite in einem Baum, die Datenhaltung, also der gesamte Aufbau, liegt somit ganz beim Admin. Die Datenbank-Ausgabe in ProcessWire geschieht über eine jQuery artige Sprache – eine geniale Idee, damit auch Amateure damit klarkommen.
Wie oft habe ich in Contao das Anlegen von globalen Daten vermisst, einfach links aufgeführt als Menüpunkt, z.B. für Kontaktdaten, die dann gezielt auf der Seite ausgegeben werden können. In ProcessWire beispielsweise lege ich mir einfach eine "Daten"-Seite an, der Ausgabebaum der Seiten liegt dann auf einer anderen Ebene. Entsprechend benannt sieht auch der Endkunde, wo er welche Daten vorfindet.
Solche frischen Ideen vermisse ich in Contao.
2.) Keine richtige Trennung von System und Inhalten.
Zudem finde ich es schade, dass Config-Dateien, Inhaltsdateien, genutzte Plugins und Templates in verschiedenen Ordnern liegen.
Hier machen andere System es ebenfalls leichter, mit einer bewährten Basiskonfiguration umzuziehen, weil einfach alles Daten (auch die benötigten Plugins) in einem Content-Ordner strukturiert sind. Bei Updates einfach den Systemordner austauschen – fertig! Falls etwas nach einem Update nicht läuft, einfach erstmal wieder alten System-Ordner einfügen. Gerade bei Life-Systemen sehr hilfreich.
3.) Teilweise umständliche Bedienung mit zu vielen Infos
Da das Vorhalten und Ändern von Inhalten nun einmal der Hauptgrund eines CMS ist, könnte man nach 10 Jahren doch mal das System hinterfragen und über den Tellerrand schauen, wie es andere CMS machen. Es wird von barrierefrei gesprochen, aber meiner Erfahrung nach haben auch ganz normale, "gesunde" Laien bereits Probleme mit der Bedienung.
Einerseits finde ich die Möglichkeiten über Artikel/Seitenelemente genial, weil sehr mächtig, gerade solche Elemente vermisse ich in anderen CMS, aber die Herangehensweise der Bedienung finde ich suboptimal.
Es sind relativ viele Klicks nötig, um an ein Element zu kommen bzw. eines anzulegen. Ja, ich kenne die Tastenkürzel, aber von einen Kunden, der alle paar Wochen mal was editiert, kann ich das nicht verlangen. Aber auch mit Tastenkürzeln bleibt das Grundproblem bestehen: Eine Überfrachtung mit (winzigen) Icons, die auch selten gebrauchte Funktionen zeigen, zusammen mit für Laien eher unwichtigen Infos, z.B. die der Artikeldaten.
Und warum muss Contao ungefragt die Seitenstruktur ständig verkürzen, die man dann erst wieder über die gelbe Breadcrump-Leiste entfalten muss. Bei kleinen Seiten doch eher unnötig, oder?
In der Seitenstruktur wird gerne mal auf den Bleistift geklickt, weil der Kunde ja Inhalte auf der Seite bearbeiten wollen, also ganz naheliegend. Ich muss dann auf das stiftartige Icons rechts außen verweisen, mit dem er erstmal in den Artikel kommt, der leider standardmäßig wie die Seite heißt.
Auch hier halte ich im Normalfall den Gang in den Artikel und die ganzen Infos für einen Laien für nicht relevant. Er will doch nur ein Element auf der Seite aufrufen und bearbeiten und sich im Normalbetrieb nicht mit unzähligen strukturellen Möglichkeiten herumschlagen.
Für den Profi ist es schön, die ganzen Möglichkeiten der Untergliederung zu haben, aber warum könnte für Laien nicht eine vereinfachte Bedienoberfläche existieren, die für 90% der Fälle ausreicht?
Z.B. sieht er die Seitenstruktur, klickt auf "bearbeiten" und kann seine Elemente der Hauptspalte hinzufügen.
Und muss man dem normalen Benutzer 4 Speichern-Buttons unter einem Element zumuten, das verwirrt doch mehr als es nutzt.
Genauso das Neu-Anordnen der Seiten: Wer einmal Drag & Drop in anderen CMS erfahren hat, fühlt sich in Contao in der Zeit zurückversetzt. Auch wieder mehr Klicks als nötig und teilweise nicht intuitiv, z.B. Seiten als erste Unterseite einfügen (Pfeil rechts), oder Verschiebevorgang über "Ablage leeren" abbrechen.
Bei der Medienverwaltung finde ich WordPress vorbildhaft: Große Bilder (auch bei Hochformat!), simple Sortierung nach Datum des Uploads, wenn gewünscht. Dazu eine Raster-Ansicht, um viele Bilder auf einmal zu sehen.
Ich finde in Contao einfach die Sichtweise des Programmierers bzw. Profis zu dominant, der das System vielleicht jeden Tag bedient und alle Kniffe kennt.
Eine Frontend-Bearbeitung als Feature wird ja immer mal wieder im Forum geäußert – und abgeschmettert.
Hier muss ich RockSolid(Themes) mal positiv erwähnen, dessen Komponenten bei mir inzwischen zu jeder Installation dazugehören, dort gibt es auch Front-Editing.
Trotzdem ist es ein Unterschied, ob ein CMS grundlegend dafür ausgelegt wurde oder nicht, z.B. im Hinblick auf "Grids", die eine Eingabe im Backend noch weniger intuitiv werden lassen, z.B. durch die manuelle Eingabe von verschiedenen Klassennamen.
Es ist nicht so einfach einem potentiellen Kunden die Vorteile der hohen Strukturierbarkeit der Inhalte in Contao zu verdeutlichen, wenn er auf der anderen Seite Drag & Drop Frontend-Bearbeitung erlebt hat, wo live Spaltenbreiten geändert und Inhalte einfach reingezogen werden können. Concrete5 hat das z.B. sehr schön direkt ins System integriert, SiteCake machte es in absolut genial minimalistischer Weise mit reinen HTML-Dateien (ist aber noch im Aufbau). In WordPress habe ich wohl 1 Duzend solcher Plugins gesehen – und nicht alle haben katastrophalen Code produziert.
Für den (potentiellen) Kunden ist es auch (leider) nicht so relevant, wie es "darunter" aussieht, die Seite läuft und es macht ihm Spaß sie zu pflegen.
Bei einer Firmenseite wiederum kommt man ohne gute System- und Programmierkenntnisse eigentlich nicht weiter, z.B. bei der Eingabe von wiederkehrenden, strukturellen Daten, z.B. Produkte mit bequemer Ausgabe.
In Contao 2 war der Catalog dafür ein geniales Werkzeug für den Nicht-Programmierer. Heute gibt es MetaModells, die für kleinere Dinge aber überdimensioniert erscheinen. Installation / Konfiguration erfordert einiges an Wissen, ging in manchen Version schief, und dann das Bangen, ob alles auch in der nächsten Version noch läuft.
Selbst das oft belächelte WordPress stellt seit Version 3 benutzerdefinierbare Felder zur Verfügung (Custom Post Types), die recht einfach eingefügt oder auch über Plugins sehr komfortabel zu verwalten sind.
Contao installiert mir stattdessen FAQ, Events, Nachrichten, Listings, anstatt mehr auf Flexibilität zu setzen.
Hier stellt sich für mich immer wieder die Frage, für welche Zielgruppe Contao eigentlich gedacht ist, auch im Hinblick auf die Konkurrenzsysteme.
Nur für wirklich ambitionierte Programmierer und Fulltime-Redakteure die technisch versiert sind?
Ein Designer, der sich nur wenig mit PHP-Programmierung auskennt, ist dann meist auf Entwickler (bzw. Plugins) angewiesen, die ihm helfen.
Nicht jede Website bietet aber so viel Budget an, bei bestimmten Wünschen gleich einen Entwickler mit ins Boot zu holen.
Contao 4:
Leider bleiben mit Contao 4 meine geäußerten Kritikpunkte bestehen, es gibt einfach keine frischen Ideen. Soweit ich weiß, wurde auch im Netz niemals mal bei den Nutzer gefragt, was die so denken oder sich wünschen.
Ich weiß, dass "unter der Haube" viele Veränderungen stattfanden und ich weiß um die Arbeit von Leo und anderen Entwicklern, bitte also nicht falsch verstehen!
Aber wenn ich in den ChangeLogs schaue finde ich seit einem gefühlten Jahr nur Bugfixes und ansonsten ein ziemlich gleich gebliebenes System, also kein wirklicher Grund umzusteigen. Zudem immer die Sorge, dass Plugins nach dem Wechsel einer Major-Version nicht mehr laufen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich eben nicht voll auf Plugins setzen möchte, sondern mir eine flexiblere Basis wünsche.
Sorry, dass es so lang wurde, aber ich musste mir das mal von der Seele schreiben ;-)
Bitte nicht vergessen: Ich mag Contao ebenfalls und ich wollte nur einfach meine subjektive Sichtweise schildern. Es bietet eben auch einiges Gutes, was ich in anderen CMS vermisse und was mich hindert, einfach zu wechseln. ProcessWire finde ich hier am vielversprechendsten. Der Entwickler baut selbst aktiv Websites, kennt also die Praxis, und lässt sich regelmäßig im Forum blicken; ist dort an Diskussionen beteiligt, wo auch gemeinsam Pro und Contra für manche Ideen aufgeführt werden. So wird das System sehr rasch weiterentwickelt.
Mich würde einfach eure Sichtweise interessieren und vielleicht auch, ob und wie ihr einzelne der angesprochenen Punkte gelöst habt.
VG
Jürgen